Deskriptor 10 - Abfälle im Meer
„Marine Abfälle sind alle langlebigen, gefertigten oder verarbeiteten beständigen Materialien, die durch Wegwerfen oder als herrenloses Gut in die Meeresumwelt gelangen.“ (UNEP 2005)
Es können bedeutende ökologische, ökonomische und ästhetische Probleme damit verknüpft sein:
- negative ästhetische Wahrnehmung (Bäder- und Bootstourismus, Tauchsport)
- sozio-ökonomische Folgen (Tourismus, Fischerei)
- Wirkung als „Fallen“ für Tiere (Verheddern/Verstricken in Netzen oder Leinen)
- Aufnahme als vermeintliche Nahrung durch Meerestiere (Vitalität, Mortalität)
- Mikroplastik als Eintrittspfad für Umweltgifte in die Nahrungskette
Mit Deskriptor 10 („Die Eigenschaften und Mengen der Abfälle im Meer haben keine schädlichen Auswirkungen auf die Küsten- und Meeresumwelt.“) zielt die Europäische Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie ebenso wie der Regionale Aktionsplan Meeresmüll des Helsinki-Abkommens für den Schutz der Ostsee darauf ab, die Belastung der verschiedenen Meereskompartimente durch Müll zu erfassen, zu bewerten und die Einträge zu reduzieren.
Die Erfassung des Strandmülls erfolgt gemeinsam mit verschiedenen Umweltverbänden und Institutionen des Landes im Rahmen des landesweiten Strandmüll-Monitoring M-V.
Das LUNG informiert mit einem Flyer und einer Broschüre über die Situation an unserer Küste und stellt laufende Aktivitäten verschiedener Institutionen vor.
Broschüre: WENIGER MÜLL – MEHR STRAND, Eine Meeresmüllbroschüre für die Ostsee
Schriftenreihe des LUNG M-V 2021, Heft 1 (PDF, 2 MB)
Flyer: WENIGER MÜLL – MEHR STRAND (PDF, 0,6 MB)
Paraffine und andere persistente aufschwimmende Stoffe wurden durch das LUNG zusammen mit weiteren Länder- und Bundesbehörden in einer Pilotstudie zur Entwicklung und Erprobung eines Monitorings untersucht.
In einem LUNG-Pilotprojekt ist die Masse der „Plastikfracht“ der Warnow bei Kessin ermittelt worden. Die Methoden zur Erfassung der Belastung auf der Wasseroberfläche und in der Wassersäule wurden getestet:
- Sichtkontrolle und Aufnahme auf der Oberfläche treibender Plastikmüllteile
- Auswertung der Plastikmüllteile > 2,5 cm aus Reusen
- Erfassung des schwebenden Mikroplastiks (Teile < 0,5 cm) mit feinmaschigem Neuston-Netz
Damit wurde für das Jahr 2022 eine Gesamtjahresfracht der Warnow von rund 14 kg Plastik hochgerechnet.
Endbericht: Ermittlung der „Plastikfracht“ der Warnow in die Ostsee (PDF, 2 MB)
Für die Koordinierung und Unterstützung der Umsetzung nationaler Maßnahmen gegen Meeresmüll ist im Jahr 2016 durch das Bundesumweltministerium, das niedersächsische Umweltministerium und das Umweltbundesamt der Runde Tisch Meeresmüll etabliert worden. Am Runden Tisch Meeresmüll sind in einem breiten Teilnehmerfeld die verschiedensten Interessengruppen vertreten.
Das LUNG wirkt intensiv an diesem Prozess mit und engagiert sich u.a. in einer Unterarbeitsgruppe zur Umsetzung des Maßnahmenkomplexes Kommunale Vorgaben. Es wurden Leitfäden mit Handlungsoptionen für Kommunen zur Reduktion des Plastikmüllaufkommens (Best-Practice-Sammlung und Regelungsmöglichkeiten) herausgegeben. Diese wurden intensiv im Online-Seminar mit Workshop „Meer durch Weniger - Vorgaben und Möglichkeiten zur Reduktion des Plastikmülls“ am 06.04.2022 behandelt. Eine Veranstaltungsdokumentation findet sich hier.
Handlungsoptionen für Kommunen zur Reduktion des Plastikmüllaufkommens:
Sammlung von Best-Practice-Beispielen
Die Internetplattform meeresmuell.de ist eine Informations- und Kontaktstelle zum Thema Müll im Meer. Sie vernetzt Akteure, stellt Aktivitäten von Behörden, Schulen, Vereinen, Verbänden sowie wissenschaftlichen Einrichtungen vor und gibt Auskunft zu öffentlichen Aktionen und Veranstaltungen.
Strandmüll-Monitoring M-V
Das LUNG hat in enger Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen ein landesweites Strandmüll-Monitoring etabliert.
- Biosphärenreservat Südost-Rügen
- BUND MV e.V.
- EUCC - Die Küsten Union Deutschland e. V.
- Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft
- Naturpark Insel Usedom
- Regionale Schule „Windland“ Altenkirchen auf Rügen
- Verein Jordsand e. V.
Zusätzlich betreut das LUNG eigene Monitoringabschnitte an der Küste Westmecklenburgs.
Das Strandmüll-Monitoring umfasst eine vierteljährliche Aufsammlung, Quantifizierung und Kategorisierung des Strandmülls von 100 m langen Küstenabschnitten. Es basiert damit auf der erprobten OSPAR-Methodik aus der Nordseeregion.
Für die Arbeiten an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns wurde eine deutschsprachige Kurzhandreichung und ein für die Ostsee angepasstes Erfassungsprotokoll erarbeitet.
Strandmüll-Monitoring M-V - deutschsprachige Kurzhandreichung
(PDF, 702 KB)
Strandmüll-Monitoring M-V - Erfassungsprotokoll Ostsee
(PDF, 220 KB)
Das Erfassungsprotokoll kann für die Dateneingabe auch im Microsoft Excel Format bezogen werden.
Ansprechpartner:
Herr Dennis Gräwe (Tel.: 0385 / 588 - 64334)
E-Mail: dennos.graewe[at]lung.mv-regierung.de
Die gewonnenen Daten werden im LUNG gesammelt und ausgewertet. Es liegen zwischenzeitlich Daten von 20 Stränden vor. Diese können im MDI-MV-Portal eingesehen werden.
Auf dieser Datenbasis ist eine Quellenanalyse zu der Herkunft und den Eintragspfaden des Strandmülls an der Ostseeküste als Grundlage für die Entwicklung relevanter, problemorientierter Maßnahmen durchgeführt worden.
Zusammenfassend kommt diese Studie zu dem Ergebnis, dass „Tourismus- und Freizeitaktivitäten“ die Haupteintragsquelle für die an den Stränden Mecklenburg-Vorpommerns gefundenen Müllteile darstellt:
Eintragsquellen für den an den Stränden angetroffenen Müll und ihre relativen Anteile
Betrachtungsgebiet: Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns
Quellenkategorie | Quellenart | Anteil [%] |
---|---|---|
Tourismus- und Freizeitaktivitäten | landbasiert | 44 |
Sportbootschifffahrt/-häfen | see- (2/3), landbasiert (1/3) | 10 |
Fracht-/Passagierschifffahrt | seebasiert | 9 |
Fischerei und -häfen | see- (2/3), landbasiert (1/3) | 9 |
Fracht-/Passagierhäfen | landbasiert | 8 |
landbasierte Industrie/Gewerbe | landbasiert | 6 |
Offshore Industrie | seebasiert | 5 |
Abwasserbehandlung, Regenwasserkanalisation | landbasiert | 4 |
Abfallwirtschaft | landbasiert | 4 |
Anteil see- und landbasierter Quellen [%] | ||
---|---|---|
landbasierte Quellen | 73 | |
seebasierte Quellen | 27 |
Paraffin-Monitoring M-V
An den deutschen Küsten sind wiederholt Anspülungen von Paraffin und anderen persistenten (nur langsam abbaubaren) aufschwimmenden Stoffen zu verzeichnen, ebenso wie Funde an der Wasseroberfläche. Diese stellen eine Belastung der Meeresumwelt dar.
Bisher gab es in Deutschland kein Monitoring, welches Paraffine in der Meeresumwelt ausreichend erhebt und bewertet. Das
- BSH (Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie),
- Niedersachsen (NLWKN, Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz),
- Schleswig-Holstein (LKN.SH, Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein) und
- Mecklenburg-Vorpommern (LUNG)
haben daher eine Pilotstudie zur Entwicklung und Erprobung eines Monitorings durchgeführt. Das Vorhaben wurde vom Bund-Länder Koordinationsausschuss Schadstoffunfallbekämpfung (KOA-SUB) finanziert.
Im Projekt wurden folgende Datensätze recherchiert oder generiert und systematisiert:
- Komplexe Schadstoffunfälle
- Lokale Anspülungen
- Disperse (zerstreute) Belastung (Belastung an der Wasseroberfläche, in Mägen von Eissturmvögeln [nur Nordsee], am Strand)
- chemische Zusammensetzung
Die Ergebnisse des Pilotprojektes lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Die Belastung der Ostsee ist im Vergleich zur Nordsee deutlich niedriger.
- Räumliche Muster des Vorkommens und der Zusammensetzung der Paraffine lassen sich (bisher) nicht identifizieren.
- Die räumliche und zeitliche Variabilität der quantitativen Belastung ist sehr hoch.
- Paraffine setzen sich aus verschiedenen Stoffgruppen zusammen, deren Anteile räumlich und zeitlich variabel sind.
- Alle auf Begleitstoffe untersuchten Paraffin-Stichproben enthielten als wassergefährdend eingestufte Chemikalien.
Es wird deshalb davon ausgegangen, dass die in das Meer eingebrachten Paraffine schädliche Auswirkungen auf die Meereslebewesen (v.a. Aufnahme als vermeintliche Nahrung) und Lebensräume haben.
Vor diesem Hintergrund werden folgende Ansätze als Langzeitmonitoring von Paraffinen und anderen persistenten aufschwimmenden Stoffen für die deutsche Ostsee vorgeschlagen:
- Dokumentation und Auswertung komplexer Schadstoffunfälle (KSU) mit Paraffinen
- Dokumentation und Auswertung lokaler, mittlerer und großer Anspülungen
- Präsenz von Paraffinen an der Wasseroberfläche
- Präsenz von Paraffinen im regulären Strandmüllmonitoring
In ihrer Kombination sind diese Ansätze geeignet, da sie mit vertretbarem Aufwand alle wesentlichen Aspekte abbilden (herausragende Einzel- und lokal begrenzte Ereignisse sowie disperse Belastung; Küste, offene See und Biota). Darüber hinaus berücksichtigen sie vielfältige Synergien mit anderen Monitoringprogrammen. Es wird empfohlen den erarbeiteten Monitoring-Vorschlag als Teil des nationalen MSRL-Monitorings zu etablieren und weiterzuentwickeln.